Durch ihre Arbeit mit Pferden hat Rebecca Thalmann schon manche Hürde im Leben überwunden, sie lässt sich wegen ihrer geistigen Beeinträchtigung nicht behindern.

Rebecca Thalmann treffe ich in einem grossen Reitstall in Abtwil SG um über sie ein Portrait für das SRF-Sportpanorama zu drehen. Es ist das letzte Training vor der Abreise an die World Summer Games in Abu Dhabi, den Olympischen Spielen für Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung. Wie gut Rebecca mit Pferden umgehen kann, realisiere ich schnell. Zusammen mit Nationalmannschafts-Kollegin Chantal Meyer will sie einen Wettkampf-Parcours trainieren. Doch die beiden Pferde haben nur unsere Kamera im Auge und beginnen heftig zu scheuen. Rebecca bleibt hoch zu Ross absolut ruhig, obwohl die Situation brenzlig ist. «Wenn ich nervös werde, dann überträgt sich dies nur auf das Pferd. Ich muss dem Tier das Vertrauen geben, dass alles in Ordnung ist.» Mich beeindruckt ihre Ruhe und ich denke, dass die Behinderung auf dem Pferd weit weg ist. Reit-Headcoach Kathrin Lex hat ihr ausserordentliches Talent vor zehn Jahren entdeckt: «Sie weiss extrem viel über Pferde und ist eine gewissenhafte, ehrgeizige Reiterin.»

Bereits mit vier Jahren begann Rebecca Thalmann zu reiten, inzwischen besitzt die 28-jährige mit «Mérite» ihr eigenes Pferd. Sie habe erst nach dem Kauf gemerkt, dass die Stute keine gute Ausbildung habe, erzählt sie. Das hat sie inzwischen nachgeholt. Daneben sammelt sie seit Jahren Medaillen an Reitwettkämpfen. Ein grosser, übervoller Karton zu Hause ist Zeuge ihrer Erfolge. «Dank dem Reiten habe ich mehr Selbstvertrauen», sagt Rebecca Thalmann. Sie könne Menschen so zeigen, dass sie trotz ihrer Behinderung zu vielem fähig sei. Tatsächlich hat Rebecca erfolgreich die Ausbildung zur Stallhelferin mit Schwergewicht Pferde abgeschlossen und arbeitet mit einem vollen Pensum. In Abu Dhabi startet sie bereits zum zweiten Mal an den World Summer Games. Bei ihrer Premiere vor acht Jahren gewann sie in Athen Gold und Silber.

Seit Mitte Dezember ist die 28-jährige glückliche Besitzerin des Fahrausweises F, mit dem sie maximal 45km/h fahren darf.  Ihr kleines Auto gibt ihr ein weiteres Stück Unabhängigkeit. Das private Glück hat sie vor vier Jahren mit Pirmin Koster gefunden. Das Paar lebt zusammen mit zwei Katzen in Winterthur. Pirmin ist spürbar stolz auf seine Partnerin. Zum Schluss sagt Rebecca, dass sie zwei grosse Träume habe: sie wolle in Abu Dhabi zwei Medaillen gewinnen und später eine Familie gründen.  So wie ich die junge Frau an diesem Tag erlebt habe zweifle ich nicht daran, dass sie beides erreichen wird.


Voyeurismus auf dem Wettkampfplatz

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